Und sie bewegt sich doch: Studie empfiehlt Revision des schweizerischen Mobiliarsicherungsrechts

Aktueller Stand

Das schweizerische Mobiliarsicherungsrecht ist seit Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches 1912 im Wesentlichen unverändert geblieben. Stärker als praktisch jede andere Rechtsordnung betont es das Faustpfandprinzip: Dieser Grundsatz legt fest, dass Sicherungsrechte an beweglichen Sachen nur wirksam begründet werden können, wenn der Sicherungsgeber den Besitz an der Sache aufgibt. Hinzu kommen gravierende Mängel des Eigentumsvorbehalts sowie Defizite beim Abtretungsrecht. Dieser unbefriedigende Rechtsrahmen für Mobiliarsicherheiten führt dazu, dass Unternehmen wesentliche Teile ihrer Aktiven nicht als Sicherheiten nutzen können. Davon besonders betroffen sind KMU, die überdurchschnittlich häufig Schwierigkeiten beim Zugang zu Krediten haben.

Mögliche Reformszenarien

Während in der Lehre und Praxis seit langem und mit zunehmender Dringlichkeit auf diese Defizite hingewiesen haben, zeigte die Politik bisher kein Interesse. Die Bundesverwaltung hat allerdings Anfangs Oktober 2021 eine Regulierungsfolgenabschätzung publiziert, welche die Defizite des geltenden Rechts systematisch aufarbeitet, einen Vergleich mit ausländischen Rechtsordnungen vornimmt und vor allem die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Reform abschätzt. Die Studie schätzt die positiven volkswirtschaftliche Impulse einer Reform je nach Reformszenario auf CHF 0.5 bis 14 Mrd. ein. Die Studie zeigt auch, dass sich für die schweizerischen Unternehmen im Vergleich mit praktisch allen ausländischen Rechtsordnungen starke Beschränkungen beim Zugang zu einer gesicherten Fremdfinanzierung ergeben. Eine Reform würde deshalb auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen KMU nachhaltig verbessern.

Die Studie empfiehlt eine auf Unternehmen fokussierte Modernisierung des Mobiliarsicherungsrechts. Wichtigste Elemente sind dabei die Zulassung von besitzlosen Sicherheiten (Mobiliarhypothek) an allen Arten von beweglichen Sachen. Publizität soll dabei durch ein digitales Register gewährleistet werden, das zentral durch den Bund betrieben werden soll. Weitere wichtige Elemente des Reformprogramms sind eine Modernisierung des Eigentumsvorbehalts, des Abtretungsrechts sowie Reformen in Bezug auf Immaterialgüterrechte beziehungsweise immaterielle Vermögenswerte. Schliesslich empfehlen die Autoren eine rasche Ratifizierung des Kapstadt-Übereinkommens, dass ein einheitliches Sicherungsrecht für international eingesetztes Mobiliar gewährleistet.

Die Studie entwickelt drei unterschiedlich ehrgeizige Reformszenarien:

  • MINI-Revision: auf die Modernisierung des einfachen Eigentumsvorbehaltes im Rahmen der bestehenden Kodifikation.

  • MIDI-Revision: Zusätzlich zum MINI-Szenario werden die Verlängerungsformen des Eigentumsvorbehaltes sowie eine allgemeine Mobiliarhypothek eingeführt. Die Umsetzung erfolgt falls möglich ebenfalls im Rahmen der Kodifikation.

  • MAXI-Revision: Dieses Szenario schafft einen eigenständigen Rechtsrahmen für die Nutzung aller möglichen Bilanzwerte (insbesondere Forderungen und immaterielle Vermögenswerte), wobei alle bekannten Sicherungsinstrumente (reguläres und irreguläres Pfand, Sicherungsübereignung, Sicherungszession sowie das Finanzierungsleasing) integriert werden. Eine Umsetzung einer derart umfassenden Revision ist nur im Rahmen eines Spezialgesetzes (Bundesgesetz über Mobiliarsicherheiten) möglich.

Ob und wann Taten folgen, ist derzeit noch unklar. Die verantwortlichen Bundesstellen (Staatssekretariat für Wirtschaft, SECO, und Bundesamt für Justiz, BJ) prüfen derzeit das weitere Vorgehen und werden dem Bundesrat gegebenenfalls Antrag stellen.  

Die Studie ist unter Führung der INTERFACE Politikstudien Forschung Beratung GmbH erstellt worden. Dr. iur. Hans Kuhn von Wicki Partners war Co-Projektleiter und ist Mitautor der Studie.


 Bei Fragen zum Thema können Sie sich gerne an Dr. iur. Hans Kuhn wenden.

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