Erfindungen von Arbeitnehmern im Arbeitsverhältnis
In der heutigen Arbeitswelt, in der Innovation und Kreativität eine immer wichtigere Rolle spielen, ergeben sich zahlreiche rechtliche Fragen bezüglich der Eigentumsrechte an neuen Erfindungen und Designs, die von Arbeitnehmern während ihrer Beschäftigung geschaffen werden. Das Gesetz und die Rechtsprechung unterscheiden verschiedene Kategorien solcher Werke von Arbeitnehmern: Aufgabenerfindungen, Gelegenheitserfindungen und arbeitsfremde Erfindungen. Je nach Zuteilung unterscheiden sich die Eigentumsrechte an den Werken, und entsprechend auch allfällige Vergütungsansprüche Seitens des Arbeitnehmers.
Im folgenden Artikel wird insbesondere untersucht, unter welchen Umständen der Arbeitgeber als Eigentümer von im Rahmen des Arbeitsverhältnisses entstandenen Werken gilt, und in welchen Fällen der Arbeitnehmer Anspruch auf Anerkennung und eventuelle Vergütungen hat.
Rechte am Arbeitsergebnis
Wird durch die Arbeitsleistung etwas Neues, beispielsweise ein neuer Gegenstand geschaffen, steht dieser Gegenstand im Grundsatz dem Verarbeiter zu. Da der Arbeitgeber die Tätigkeit des Arbeitnehmers auf eigenes Risiko veranlasst hat, gilt er als Verarbeiter und damit Urheber der neu entstandenen Sache. Nur ausnahmsweise entsteht kein neues Eigentum an der Sache, wenn der verwendete Stoff für die neue Sache nämlich wertvoller ist als die dafür aufgewendete Arbeit. Im Arbeitsverhältnis ist allerdings regelmässig davon auszugehen, dass der Arbeitgeber auch Eigentümer des verwendeten Stoffes ist, weshalb er meist Eigentümer der neuen Sache bleibt. Im Grundsatz gilt deshalb, dass alles, was der Arbeitnehmer in Ausübung seiner vertraglichen Tätigkeit hervorbringt, an den Arbeitgeber herauszugeben ist.
Rechte an Erfindungen und Designs im Arbeitsverhältnis
Eine Erfindung liegt nur vor, wenn sie auf einer schöpferischen Idee beruht, die nicht schon für jeden gut ausgebildeten Fachmann naheliegt, und einen klar erkennbaren technischen Fortschritt verwirklicht. Der Begriff des Erfinderischen beginnt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts erst jenseits der Zone, die zwischen dem vorbekannten Stand der Technik und dem liegt, was der durchschnittlich gut ausgebildete Fachmann des einschlägigen Gebiets gestützt darauf mit seinem Wissen und seinen Fähigkeiten weiterentwickeln und finden kann (BGE 123 III 485, E. 2a). Die Erfindung muss für das Unternehmen des Arbeitgebers neu sein, sich also vom bestehenden unternehmensinternen Stand der Technik unterscheiden.
Als Design gilt die Gestaltung von Erzeugnissen oder Teilen von solchen, die durch die Anordnung von Farben, Linien, Flächen etc. charakterisiert sind.
Eine Schutzfähigkeit von Erfindungen und Designs nach Patent- oder Designgesetz wird im Arbeitsrecht nicht vorausgesetzt.
Wichtig ist zudem, dass Erfindungen und Designs nicht unbedingt während der Arbeitszeit oder am Arbeitsplatz zu entstehen brauchen. Sie müssen jedoch während des Arbeitsverhältnisses beendet werden, da Rechte an Erfindungen erst mit deren Vollendung entstehen können. Die Erfindung ist fertiggestellt, wenn ein Fachmann aufgrund der Angaben des Erfinders in der Lage ist, das angestrebte Ergebnis zu erzielen.
Aufgabenerfindung/-design
Aufgabenerfindungen/-designs oder auch Diensterfindungen/-designs genannt, liegen vor, wenn sie der Arbeitnehmer in Ausübung seiner "dienstlichen Tätigkeit" und "in Erfüllung der vertraglichen Pflichten" macht. Um zu entscheiden, ob der Arbeitnehmer die Erfindung oder das Design in Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit gemacht hat, ist nicht ausschlaggebend, ob er diese während der eigentlichen Arbeitszeit oder am eigentlichen Arbeitsort gemacht hat, sondern einzig, ob ein enger logischer Zusammenhang zwischen der dienstlichen Tätigkeit und der Erfindung, bzw. dem Geisteserzeugnis bejaht werden kann. Die Erfindung oder das Design muss der Art nach zudem in Erfüllung der vertraglichen Pflicht entstanden sein. Das heisst, aus dem besonderen Tätigkeitsbereich und Arbeitsfeld des Arbeitnehmers stammen und damit der Tätigkeit entspringen, für welche der Arbeitnehmer angestellt wurde.
Gehört beispielsweise die Entwicklungsarbeit an einer technischen Anlage zum Aufgabenbereich des Arbeitnehmers, so qualifiziert die Erfindung auch dann als Aufgabenerfindung, wenn der Arbeitnehmer von den im Betrieb bekannten Vorstellungen abgewichen ist und einen anderen Lösungsweg gefunden hat. Die gleiche Rechtslage liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer als Giesser das Formenmaterial herzustellen hat und dabei zufällig eine bessere Mischung findet.
Die Aufgabenerfindung bzw. das Aufgabendesign «gehört» dem Arbeitgeber. Von Gesetzes wegen steht dem Arbeitnehmer kein Anspruch auf eine besondere Vergütung zu. Die Aufgabenerfindung bzw. das Aufgabendesign gehört zur vertraglichen Arbeitsleistung, für die der Arbeitnehmer durch den gewöhnlichen Lohn und allfällige Sondervergütungen, wie Gratifikation und Gewinnanteil entschädigt wird.
Gelegenheitserfindungen (Art. 332 Abs. 2 OR):
Gelegenheitserfindungen liegen vor, wenn der Arbeitnehmer bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit (d.h. ein sachlicher Zusammenhang zwischen der Erfindung und der Arbeitstätigkeit ist erforderlich), nicht aber in Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten etwas erfindet (d.h. er entwickelt eine Idee, ohne dafür angestellt worden zu sein, also ohne Erfüllung einer vertraglichen Pflicht). Die Rechte an Gelegenheitserfindungen stehen grundsätzlich dem Arbeitnehmer zu. Aus der arbeitsrechtlichen Treuepflicht trifft den Arbeitsnehmer jedoch eine Informationspflicht gegenüber seinem Arbeitgeber. Zulässig ist zudem eine vorherige, schriftliche Abrede zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeberin, die der Arbeitgeberin das Recht an der Erfindung oder dem Design sichern kann.
Für die Frage ob die Erfindung bei der Ausübung der dienstlichen Tätigkeit des Arbeitnehmers erfolgte, ist auf das konkrete Tätigkeitsgebiet des Arbeitnehmers abzustellen, nicht auf den Wirkungskreis des ganzen Unternehmens. Die Erfindung muss ihrer Art nach aus dem besonderen Tätigkeitsbereich und Arbeitsfeld des Arbeitnehmers stammen.
Vorgehen bei Gelegenheitserfindungen (Art. 332 Abs. 3 OR):
Der Arbeitnehmer, der eine vertraglich vorbehaltene Erfindung oder Design gemäss Art. 332 Abs. 2 OR entwickelt, hat die Arbeitgeberin schriftlich in Kenntnis zu setzen. Diese muss ihm innert sechs Monaten schriftlich mitteilen, ob sie die Erfindung bzw. das Design erwerben will oder sie dem Arbeitnehmer freigibt. Gibt die Arbeitgeberin die Erfindung frei, kann der Arbeitnehmer darüber verfügen und sie auch wirtschaftlich verwenden. Der Arbeitnehmer darf dabei aber nicht seine Arbeitgeberin konkurrenzieren.
Wird die Erfindung nicht freigegeben, muss die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer eine angemessene Vergütung zahlen, deren Höhe sich nach wirtschaftlichem Wert, Mitwirkung der Arbeitgeberin, Beteiligung anderer Personen, Inanspruchnahme der Betriebseinrichtungen, Aufwendungen des Arbeitnehmers und seiner Stellung im Betrieb richtet. Es kann sich um eine einmalige Abfindung oder um periodische Leistungen handeln.
Arbeitsfremde Erfindung (Art. 332 Abs. 3 OR):
Macht der Arbeitnehmer Erfindungen oder Designs, die ausserhalb seines vertragsgemässen Tätigkeitsbereichs liegen und keinen sachlichen Zusammenhang zur Arbeitstätigkeit aufweisen, handelt es sich um arbeitsfremde Erfindungen und Designs. In einem solchen Fall begründet der Arbeitnehmer zwar originär sein Recht an den Immaterialgütern, ist aber unter Umständen aufgrund der Treuepflicht gehalten, die Arbeitgeberin darüber in Kenntnis zu setzen bzw. ihr den Erwerb dieser Immaterialgüter anzubieten. Auch hier ist das Konkurrenzverbot zu beachten.
Durch Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer kann sich indessen der Arbeitgeber auch die Rechte an freien Erfindungen übertragen lassen. Eine solche Vereinbarung darf jedoch nicht gegen die guten Sitten verstossen und die (wirtschaftliche) Freiheit des Arbeitnehmers nicht übermässig beeinträchtigen; ferner müssen die von der Vereinbarung erfassten Erfindungen genügend bestimmbar sein. Schliesslich muss dem Arbeitnehmer nach zwingendem Recht eine angemessene Vergütung analog zum vorliegenden Abs. 4 eingeräumt werden.
Fazit
Die gesetzlichen Regelungen und die Rechtsprechung zielen darauf ab, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Interessen beider Parteien zu schaffen. In einer Zeit, in der Innovationen den Unternehmenserfolg massgeblich beeinflussen, ist es entscheidend, klare Regelungen zu haben, die sowohl die Kreativität der Arbeitnehmer fördern als auch die Investitionen der Arbeitgeber schützen. Es ist wichtig, dass beide Seiten ihre Rechte und Pflichten kennen, um potenzielle Konflikte zu vermeiden und eine produktive, innovative Arbeitsumgebung zu schaffen.
Bei Fragen zum Arbeitsrecht oder zum Recht an Erfindungen stehen Ihnen Balthasar Wicki und Vivien Keiser gerne zur Verfügung.